„Lernen ist gesünder, als Patient zu sein oder sogar als geheilt zu werden. Leben ist kein Ding,sondern ein Prozess. Prozesse aber gehen gut, wenn es viele Wege gibt, sie zu beeinflussen.“ Moshé Feldenkrais
Moshé Feldenkrais beschreibt den im Zitat beschriebenen Lernprozess als „organisches Lernen“: einem Prozess der dem Lernen von kleinen Kindern ähnelt, ohne naiv zu sein. Es ist vielmehr ein kreatives, leichtes, hocheffizientes Lernen mit allen Sinnen, das uns als Ressource lebenslang zur Verfügung steht. Es beginnt mit Bewusstheit.
Bewusstheit Bewusstheit löst einen Selbststart im Gehirn aus. Der durch Bewusstheit (nicht zu verwechseln mit Bewusstsein) initiierte Lernprozess zeichnet sich dadurch aus, dass der Lernende übt, ohne ständig das Gleiche zu wiederholen. Das Lernen besteht in der bewussten Variation und Differenzierung der Übung. Diese Art des Lernens bewirkt, dass die Nervenzellen von sich aus tätig werden und für eigene Kreationen Spielraum entwickeln. Neuroplastische Prozesse werden angeregt.
Lernen durch Differenzierung und Variation Lernen durch Differenzierung ist ein grundlegendes Merkmal der Feldenkrais-Methode. Dabei beginnt jede Übung bildlich gesprochen als „Baum“: Sie haben den Stamm und zwei bis drei Äste. Als Beispiel mag die Bewegung des Gähnens dienen (= ein Baum mit wenigen Ästen). Differenzierend zu lernen, das Gähnen zu verbessern, bedeutet dann, dem Übenden Schritt für Schritt bewusst spüren zu lassen, wie die Augen, der Kiefer, die Zunge, die Wangen, die Stirn, der Nacken etc. am Gähnen beteiligt sind und mitspielen. Und so wachsen dem „Baum“ immer mehr Äste, Zweige, Blätter, Blüten, Früchte. Die Bewegung wird differenzierter, bewusster und gesünder. Der gleiche Effekt tritt durch Variation ein, nicht das Gleiche wird übend wiederholt, sondern die Bewegung wird variiert und mit anderen Elementen (Nervenzellen, Gehirnarealen) verknüpft.
Mühelosigkeit Die Art und Weise zu üben, das „Wie“ hat in meiner Arbeit mehr Einfluss auf den Erfolg, als die Übung, das „Was“ selbst. Organisches Lernen ist im Kern eine Anleitung zum mühelosen Lernen. Mühelosigkeit an sich garantiert schon Verbesserung und Erfolg. Sie wollen z. B. besser sehen lernen und die Beweglichkeit ihrer Augen trainieren. Unsere Augenmuskeln sind zwar nicht die kleinsten Muskeln im Körper, aber die schnellsten und beweglichsten, und vertragen demnach am wenigsten Kraftaufwand und Drill durch krampfhaftes Üben. Sie sind wie Kinder, die am allermeisten lernen, wenn sie selbstvergessen spielen und nicht „üben“.
Mentales Lernen Der Erfolg des mentalen Lernens – d.h. Lernen und Üben, das allein in der Vorstellung durchgeführt wird – hat sich in der therapeutischen Praxis in unterschiedlichen Einsatzfeldern vielfach bestätigt.
Das Besondere Organisches Lernen, das Lernen über Bewegung und alle Sinne, bedeutet einen Neustart im Gehirn. Dies wird durch die neueste Gehirnforschung bestätigt. Auf diese Weise können Sie lernen gesund zu werden, Geige zu spielen, eine Sprache zu beherrschen, wie ein Japaner zu denken, ein Unternehmen zu leiten, Gemüse anzubauen oder Gedichte zu schreiben. Und es genügen ein wacher Augenblick oder ein paar Minuten zwischendurch. In meinen Trainings habe ich von mir erprobte und über Jahre bewährte, hochdifferenzierte Körperübungen der Feldenkrais-Methode auf spielerische Kurzübungen heruntergebrochen. Diese Übungen können leicht in Beruf und Alltag integriert werden. Organisch Lernen können Sie zu jeder Zeit und an jedem Ort.
Literatur
Guy Claxton: Der Takt des Denkens – Über die Vorteile der Langsamkeit, 1998
Norman Doidge: Neustart im Kopf – Wie sich unser Gehirn selbst repariert, 2007
Norman Dodge: Wie das Gehirn heilt: Neueste Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft, 2015
Moshé Feldenkrais: Die Entdeckung des Selbstverständlichen, 1985
Reinhard Kahl: Lob des Fehlers – Band 31 der Beltz Taschenbücher, 1999